Wie alles begann

Therese Bertheau

Im Fjell-Museum von Lom gibt es einiges über die Geschichte der norwegischen Bergwelt zu erfahren. Von der geologischen Entstehung des Jotunheimen vor 460 Millionen Jahren, über die Besiedlung durch Mammuts bis hin zu den ersten Bergwanderern und der touristischen Erschließung vor über 100 Jahren.
Interessante Fotos von den ersten Kletter-Pionieren (und auch Foto-Pionieren) zeigen die damaligen Helden der Berge. Darunter auch eine Frau “Therese Bertheau” (auf dem Foto), die als erste in diese Männer-Domäne vorstieß. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gab es erste Kartierungen der norwegischen Berge, die maßgeblich auf die Pionierarbeit der frühen Bergwanderer zurückging. Nach erfolgreichen Bestsellern englischer Abenteurer folgten Ströme von englischen Touristen, die sich in der entlegenen norwegischen Bergwelt vom Großstadttrubel der englischen Metropolen des Industriezeitalters erholen wollten. Unter Einheimischen, die das unwirkliche Treiben in den Bergen beobachteten, kursierte bald der Ausspruch: “Entweder ist er verrückt, oder Engländer!”.

Homepage: Norsk Fjellmuseum

Ausblick auf Lom

Talblick bei Lom

Nach 3 Stunden durch Nieselregen bergauf wandern gibt es als Lohn der Mühe einen sonnigen Ausblick auf das Tal von Lom. Unten können wir unseren Campingplatz am Flusstal erkennen und mit dem Teleobjektiv lässt sich sogar unsere Hütte ausmachen.
Wir legen eine verdiente Pause mit kurzem Snack ein, bevor es wieder an den Abstieg geht. Die Vermutung, dass es auf der anderen Bergseite einen direkten Abstieg ins Tal gibt, erweist sich als Irrtum und kostet uns 2 weitere mühsame Stunden Kletterei am felsigen Abhang - aber das ist eine andere Geschichte…
Abends sind wir froh, wieder heile am Campingplatz anzukommen und entspannen erst einmal in der dortigen Sauna unsere müden Knochen.

Fotostrecke: Wanderung bei Lom

Die 3 von der Felskante

Schafe auf dem Fjell

Hinter einem Busch begegnen wir 3 Schafen, die es sich auf der Felskante mit Talblick gemütlich gemacht hatten. Es ist ein Überraschungseffekt auf beiden Seiten! Die drei Tiere springen augenblicklich auf und starren uns wie hypnotisiert an. Irgendwie scheint ihnen der ungebetene Besuch nicht ganz geheuer zu sein und wir erleben zum ersten Mal, dass Schafe auch fauchen können! Wir lassen uns aber nicht so einfach ins Bockshorn jagen, sondern lassen uns erstmal nieder um in Ruhe das Teleobjektiv zu wechseln. Irgendwann beruhigen sich unsere tierischen Nachbarn auch wieder und so genießen wir noch eine Weile zu fünft den grandiosen Talblick.

Farbenpracht auf dem Fjell

Fjell über Lom

Die Wanderung führt weiter hoch in die Berge. Oberhalb der Baumgrenze erreichen wir das Fjell, das allmählich anfängt in herbstlichen Farben zu schimmern. Überall sind die Felsen von Moosen und Flechten überzogen, durchwachsen mit kleinen Beeren-Sträuchern. Das Sonnenlicht lässt die Täler und Felsen als bunten Bilderbogen leuchten.

Reptilien-Pilze

Pilze

Am Sonntag unternehmen wir eine kleinere Wanderung hinter Lom in die Berge. Zunächst geht es ziemlich steil bergan durch den Wald. Am Wegesrand ziehen zahlreiche Pilze nach und nach unsere Aufmerksamkeit an. Was zunächst nach üblicher Herbstpracht aussieht, wird am weiteren Wegverlauf immer skuriler… in scheinbar unendlicher Vielfalt präsentieren sich die seltsamsten Gewächse in unterschiedlichsten Farben, Formen und Größen. Eine Sorte hat gar einen Reptil-ähnlichen Rücken und erinnert damit irgendwie an Krokodile.

Fotostrecke: Pilze sammeln im Wald

Wohnen wie Rapunzel

Rapunzelhütte in Lom

In Lom finden wir auf einem der beiden Haupt-Campingplätze eine echte “Rapunzelhütte”, in die wir uns auf den ersten Blick verlieben… Ein alter Heuschober mit 2 Etagen wurde stilgerecht zur Campinghütte umgebaut! Vor der Tür eine Holzterasse zum draußen sitzen. Unten Etagenbetten und Naßzelle mit Dusche. Dann eine wirklich steile Holztreppe nach oben, wo sich der weitaus größere Raum mit Wohnzimmer und Küchenzeile befindet. Die Vorder- und Rückseite ist fast durchgängig mit vielen Fenstern verglast, so dass man einen prima Überblick auf die Anlage und einen guten Panorama-Blick auf Ort und Berge hat.
Die Hütte ist super gemütlich und so verlängern wir gleich auf 4 Nächte. Auch der Ort erweist sich als ganz passabel - nicht umsonst wirbt Lom damit, 2002 zum Bergort des Jahres gewählt worden zu sein.

Homepage: Stadt Lom

Quer durch den Jotunheimen-Nationalpark

Hurrungane Gebirge

Unsere Weiterfahrt führt uns auf dem Sognefjellet über Gaupne nach Lom, quer durch den Jotunheimen-Nationalpark. Zunächst zieht sich die Route noch eine ganze Weile an den Ausläufern des Sognefjords entlang und wir haben den typischen Fjord-Ausblick. Hinter Luster geht es dann allerdings bald ziemlich steil nach oben in die Berge. In wilden Serpentinen zieht sich die Straße hoch ins Gebirge des Jotunheimen. Hier befinden sich die 27 höchsten Gipfel ganz Norwegens sowie unzählige Gletscher und Bergseen.
Am Turtagrø-Hotel unterhalb des Hurrungane Gebirge ist der Teufel los - 100erte von Campern zelten in den Hügeln, mehrere Film-Teams bauen ihre Ausrüsten auf und ein endloses Gewusel von Bergsteigern bevölkert die sonst eher verlassene Gegend. Anscheinend findet irgendeine Art von Bergsteiger-Festival dort oben statt. Wir genießen ebenfalls kurz den Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel und setzen unseren Weg dann fort weiter Richtung Lom.

Auto fahren in Norwegen

Auto fahren

Autofahren in Norwegen erfordert eine besondere Form von Gelassenheit. Wenn man die Deutschen Straßen und die Deutsche Hektik gewohnt ist, fällt es anfangs etwas schwer, sich auf den Norwegischen Fahrstil einzulassen. Nach einer Weile vergißt man aber völlig, dass es auch Geschwindigkeiten jenseits von 80km/h gibt und man “cruised” ganz “easy” durch die wechselnden Landschaften.

Alles fängt damit an, dass man Geschwindigkeiten und Entfernungen ganz neu einschätzen lernen muss. Ist es in Deutschland üblich, dass man auf der Autobahn durchschnittlich 100km in einer Stunde zurücklegen kann, so gilt dies nicht für Norwegen. Und das liegt nicht einmal an der generellen Geschwindigkeitsbegrenzung von 80km/h, sondern ganz einfach daran, dass die Beschaffenheit der Landschaft einem rasanten Fahrstil oft natürliche Grenzen setzt. Selbst wenn 80km/h außerorts erlaubt sind, schafft man in kurviger oder bergiger Strecke oft nur 40-50km/h, teilweise auch unterbrochen durch schlechte Straßendecke, Hindernisse oder Tiere auf der Fahrbahn (im Gebirge).

Je weiter man sich von den relativ gut ausgebauten Hauptstrecken entfernt, desto spartanischer werden die Straßen. In der Provinz gibt es oft nur einen schmalen Fahrstreifen, der grade breit genug für ein Fahrzeug ist. Wenn Gegenverkehr kommt, heißt es abbremsen und am Randstreifen jonglieren - sofern dort nicht eine steile Böschung oder herrausragende Felskanten sind. In ganz schwierigen Gegenden gibt es daher alle paar 100 Meter kleine Ausweichbuchten, denn es kann durchaus auch mal ein Reisebus hinter einer engen Kurve plötzlich entgegenkommen! Mancherorts zeugen heftige kurze Bremsspuren davon, dass diese Manöver nicht immer glücklich verlaufen…

Alles in allem ist die Lage aber halb so dramatisch - wenn man sich erst einmal an das langsame Tempo gewöhnt hat, ist es ein wahrer Genuß, auf Norwegens Straßen unterwegs zu sein - vorausgesetzt, man hat kein zeitliches Ziel, das man unbedingt erreichen muss (z.B. eine letzte Fähre oder ausgebuchte Unterkunft). Manchmal kann es vorkommen, dass die Straße nach einem langen Tunnel (6-10km sind im Fjordland keine Seltenheit; der längste Straßentunnel der Welt bei Laerdal zählt 24km) einfach an einem Fähranleger am Wasser endet und man sich dort in die Warteschlange bis zur nächsten Fähre einreihen muss. Daher ist es uns schon vorgekommen, dass wir in einer Tagesetappe(!) nur 120km zurückgelegt haben und dann eine spontane Zwischenübernachtung in einem nächstgelegenen Ort am Weg eingelegt haben. Dies ist aber eher die Ausnahme und inzwischen planen wir unsere Etappen etwas bedächtiger.

Die Fortbewegung im Auto durch Norwegens Landschaften hat auf der anderen Seite den unschlagbaren Vorteil, dass man fast jederzeit an der Strecke halten und die Fahrt unterbrechen kann. Hier mal ein spektakulärer Wasserfall oder eine tolle Aussicht. Dort mal ein kurzes Fotoshooting am Wegesrand oder eine Besichtigung eines sehenswerten Ortes. Bei gutem Wetter auch einfach mal eine Wanderung in die Umgebung, wenn es sich lohnt.

Fotostrecke: Auf Norwegens Straßen

Ein Pfeil kommt selten allein

Hinweisschild

Was wollen uns die Norwegischen Schildbürger damit sagen…?

Auf dickem Eis!

Auf dem Gletscher

Wer immer das Sprichwort «Auf dünnem Eis» erfunden hat, er kann damit nicht einen Gletscher gemeint haben…

Mit Steigeisen an den Füßen und einem Eispickel ausgerüstet erwartet uns eine kurze Einweisung für die Fortbewegung auf dem Gletschereis. Wichtigste Regel: Immer das Seil in der Luft halten, damit es nicht durch die Steigeisen versehentlich beschädigt wird. Unsere Seilschaft ist zum Glück heute kurz genug, um den Überblick zu behalten und so gehen wir bald bedächtig über die ersten Eiszungen, die von vielfältigen Gletscherspalten durchzogen sind.

Andy verfügt als Gletscher-Guide nicht nur über eine fundierte geologische Ausbildung und langjähriges Training auf dem Eis, er muss auch Risiko-Management, Gruppen-Management, Seil-Knüpfen, Bergungstechniken und erste Hilfe beherrschen. Wenn hier draußen etwas passieren sollte, ist Hilfe weit weg und nur durch das mitgebrachte Satelliten-Telefon erreichbar. Oben im Hochplateau auf dem Gletscher gibt es keinen Handy-Empfang. Laut Andys Aussage ist jedoch in all seinen Jahren noch nie etwas passiert, so dass wir uns etwas beruhigter auf das bevorstehende Abenteuer einlassen.

Der Gletscher ist ständig in Bewegung und unterliegt fortlaufenden Veränderungen. Andy erzählt, wenn er ein paar Tage in anderen Gebieten unterwegs war und dann wiederkommt, kann es sein, dass der Gletscher sein Gesicht verändert hat und nach einiger Zeit nehmen auch die Spalten einen anderen Verlauf. So tasten wir uns langsam voran und tatsächlich müssen wir einige Male über tiefe Spalten springen, weil der gemerkte Weg vom letzten Mal nicht mehr durchgängig passierbar ist.

Auf jeden Fall ist es wirklich beeindruckended, diese gewaltigen Urelemente - Eis, Wasser, Fels - in dieser einsamen Natur fernab der Zivilisation zu erleben!

Nach unserer Tour auf dem Eis und einer kurzen Kaffepause aus der Thermoskanne geht es zurück in die Kajaks, wo uns noch einmal 1,5 Stunden paddeln durch den inzwischen aufgekommenen Regen bevorstehen. Das ist ein wenig wie Wandern mit den Armen auf dem Wasser - eine ganz andere Fortbewegungsart als sonst auf den Wandertouren, durchaus angenehm!

Fotostrecke: Gletscher-Tour